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Erste Hilfe bei Chemikalieninhalation

Schweregrad enschätzen

Die meisten Verletzungen sind äußerlich - und damit auch für den Laien wenigstens so ungefähr beurteilbar. Nicht so die Chemikalienintoxikation: Sie können in die Lunge nicht hineinsehen. Folgende Probleme gibt es:

  • Es gibt Chemikalien, bei denen laut Sicherheitsdatenblatt "wenige Atemzüge" für ein lebensbedrohliches Lungenödem ausreichen. Das gilt z.B. für Brom oder rauchende Salpetersäure.
  • Auf der anderen Seite ist es oft so, dass man derartige Substanzen bereits in sehr geringer Menge riecht, die noch nicht gesundheitsschädigend ist. Beispiel:
    • Die Geruchsschwelle von Brom ist <0,01 ppm, der MAK-Wert beträgt 0,1 ppm, 6-9 ppm über 30 bis 60 min gelten als lebensgefährlich.
    Sie fallen also nicht auf jeden Fall gleich tot um, nur weil Sie mal ein kleines bisschen Brom eingeatmet haben. Die o.g. "wenigen Atemzüge" meinen eine Konzentration, die Sie nicht freiwillig inhalieren würden.
  • Wer aber keine Erfahrung mit einer Substanz hat, der kann den Geruch nicht mit der tatsächlichen Gefahr korrelieren. Es riecht aber bedrohlich und angstmachend. Das führt dazu, dass manche Betroffene sich schlagartig "total schlecht" fühlen.
  • Sie können andererseits aus der beobachteten Symptomatik keine Rückschlüsse auf die Stärke der Intoxikation ziehen:
    • Unfallopfer können den Eindruck machen, eigentlich "ganz OK" zu sein, sind aber in Wahrheit dringend behandlungsbedürftig.
    • Umgekehrt kann das Unfallopfer schrecklich leiden, husten, röcheln - aber außer einer leichten reversiblen Reizung iss' da nix.
  • Die Nase bewahrt ein Erinnerungsvermögen an den Geruch. Es kann sein, dass der Geruch immer noch wahrgenommen wird, auch wenn objektiv gar nichts mehr eingeatmet wird.

Ich mache hier keine Reklame, dass gelegentliche Inhaliern von Inhalationsgiften als chemische Abhärtung Ihres Körpers anzusehen ("Früher ham' 'wa det alle ausjehalten!"). Es gibt aber Bagatellfälle, die definitiv keine Maßnahmen erforderlich machen. Mir geht es darum, dass schon ganze Schulgebäude wegen eines verschütteten Milliliterchens Brom evakuiert worden sind. Das ist eine Überreaktion!

Wo die Bagatellgrenze ist, kann man nicht schriftlich vermitteln. Es gibt da nur die experimentelle Erfahrung und die dabei gewonnene Sicherheit in der Beurteilung.

Und es gibt die Eltern, die mit einigem Recht verlangen, dass ihre Kinder auch mit subtoxischen Konzentrationen von Inhalationsgiften bitteschön nicht in Kontakt zu kommen haben. Die Bagatellgrenze ist für Schüler*innen also noch mal um einiges niedriger als bei Ihnen selbst.

  • Halten Sie sich an die Gepflogenheiten an Ihrer Einrichtung
  • Wenn das möglich ist: Ziehen Sie Kolleg*innen zu Rat, wenn der Fall nicht eindeutig ist.
  • Thematisieren Sie das im Vorfeld mit Ihren Kolleg*innen, z.B. in den Fachkonferenzen. Gemäß der RiSU (I-3.14 und I-3.15) sind entsprechende Maßnahmen im Vorfeld festzulegen - eigentlich durch die Schulleiterin oder den Schulleiter selbst, praktisch wohl eher durch die Kenntnisnahme und Billigung des durch die Fachkonferenz erarbeiteten Konzepts.

 

Unfallopfer von der Emissionsquelle separieren, Emissionsquelle sichern
Emissionsquelle beseitigen:
Wenn es im Abzug passiert ist: Frontschieber schließen.
Wenn etwas undicht geworden ist: In den Abzug stellen.
Wenn etwas ausgelaufen ist: Flasche verschließen oder in den Abzug stellen. Das Verschüttete ist dann zwar immer noch nicht weg, aber Sie haben wenigstens die Menge gesichert, die noch zu sichern war.
Emissionsquelle verlassen:

Muss der Raum geräumt werden, dann möglichst so, dass die Dämpfe nicht im Schulgebäude verteilt werden: Fenster bleiben zu, während der Raum evakuiert wird. Wenn Sie das für Ihre eigene Sicherheit verantworten können, sollen die Fliehenden hinter sich die Türen schließen. Sie öffnen dann die Fenster und verlassen als letzte(r) den Raum so, dass die Tür so kurz wie möglich geöffnet ist, damit nicht der Wind den ganzen Mief ins Schulgebäude drückt. Wenn es richtig schlimm ist, lassen Sie die Fenster so, wie sie sind. Verlassen Sie dann den Raum zusammen mit den anderen.

Draußen im Flur angekommen, schließen Sie so weit als möglich angrenzende Brandschutztüren. Nutzen Sie bestehende Lüftungsmöglichkeiten auf dem Flur.

 

Unfallopfer versorgen

Da Sie die Schwere einer Lungenintoxikation nicht beurteilen können, müssen Sie "mindestens" alle, denen es jetzt "ganz schlecht" geht, einem Arzt vorstellen. Das Problem: Alle, die wirklich ernsthafte Lungenprobleme haben, müssen jetzt die Lunge entlasten - auch, wenn sie sich eigentlich noch ganz fit fühlen: Das heißt hinlegen und möglichst ruhig atmen. Und nicht, mit Bus oder Taxi durch die Gegend bis zum Arzt zu fahren. Und auch nicht, aufgeregt zum Direktor zu rennen und zu diskutieren.

Zeichnet sich da nicht etwas ab, dass einerseits ernsthaft Verletzte möglicherweise nicht richtig versorgt werden und andererseits die nicht ernsthaft verletzten "sicherheitshalber" zur Ersten Hilfe gebracht werden und nach Röntgenaufnahme oder eintägiger stationärer Aufnahme zur Beobachtung "ohne Befund" wieder entlassen werden? Muss man nicht hoffen, dass so etwas nie passieren möge?

Sind bei dem Ereignis auch Spritzer von Chemikalien durch die Gegend geflogen, kann es sein, dass die unmittelbar Betroffenen auch Spritzer auf der Haut oder der Bekleidung haben. Selbst ohne Spritzer kann es sein, dass die Bekleidung das toxische Gas adsorbiert hat. An der vermeintlich frischen Luft desorbiert das Gas wieder - und die Luft ist dann gar nicht mehr "frisch". Befragen Sie also bei entsprechendem Unfallgeschehen die Unfallopfer und riechen Sie an Ihnen. Veranlassen Sie erforderlichenfalls das Notwendige.

 

Emissionsquelle instandsetzen

Wenn alle notwendigen Erste-Hilfe-Maßnahmen geleistet sind, können Sie sich der Quelle des Geschehens zuwenden. Wenn Sie Glück haben, steht der Wind günstig und bläst das toxische Gas nicht in die Schule hinein, sondern zum Fenster hinaus. Öffnen Sie die Tür zum Chemieraum einen Spalt und prüfen Sie, in welche Richtung der Wind bläst. Steht er günstig, öffnen Sie die Tür so weit, dass der, Luftzug noch deutlich ist. Ev. müssen Sie dazu die vorher verschlossenen Brandschutztüren erst wieder öffnen.

Steht der Wind nicht günstig, haben Sie keine Option mehr. Ohne ärztliche Tauglichkeitsbescheinigung dürfen Sie nicht mit einer Atemschutzmaske arbeiten. Entweder das "Problem" verdunstet von selbst oder die Feuerwehr muss mit Atemschutz, Bindemitteln und Lüftern nachhelfen.

 

Vorbeugung

Die Maßnahmen sind einfach und bekannt:

  • Bei gefährlichen Tätigkeiten Abzug benutzen.
  • Kleine Mengen verwenden, bei Schülerversuchen auch kleine Entnahmegefäße.
  • Tropffläschchen oder noch besser: Spritzen-/Septen-Technik verwenden.
  • Für hygienisch einwandfreie aufgeräumte Arbeits- und Aufbewahrungsflächen sorgen.
  • Ausreichendes Experimentiergeschick sicherstellen.

Wenn Sie beim Experimentieren inhalationsgefährliche Chemikalien einsetzen wollen, haben Sie das im Vorfeld in der Gefährdungsbeurteilung inklusive der getroffenen Schutzmaßnahmen zu dokumentieren! Achten Sie dabei auf die Beschränkungen der RiSU-Stoffliste.