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Brom
Brom nur noch "in situ" erzeugen?
Brom ist eine sehr gefährliche Substanz - jedenfalls, wenn damit Unfälle passieren. Unfälle an Schulen unter Beteiligung von Brom kommen aktuell kaum noch vor. Um das Jahr 2010 herum war das anders und es hat an den Schulen eine starke Häufung von Unfällen mit Brom gegeben. Fast immer war ein Verschütten oder Auslaufen die Ursache. Damals wurde aber auch noch direkt mit elementarem Brom experimentiert. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Schüler*innen nur noch Bromwasser zu Gesicht bekommen sollen.
Aktuell wird Bromwasser gern durch Ansäuern einer stabilen Lösung von Natriumbromat und Natriumbromid erzeugt, so dass man mit reinem elementarem Brom gar nichts mehr zu tun haben muss. Bislang war das allerdings nach dem Substitutionsgebot eine sehr fragwürdige Maßnahme, denn das Natriumbromat galt als krebserregend.
- Die aktuelle RiSU geht immer noch von der Carcinogenität des Natriumbromats aus. Die Verwendung des Natriumbromats zur Herstellung von Bromwasser ist deshalb nur als fertige Bromid/Bromatmischung gestattet!
In aktuellen Sicherheitsdatenblättern findet sich aber jetzt gar kein Hinweis mehr auf krebserzeugendes Potential!
Erhärtet sich diese Einstufung, gibt es keine Sicherheitsbedenken mehr, die Natriumbromid-/Natriumbromatmischung zur Herstellung von Bromwasser zu verwenden. Das ist hinsichtlich des Aufwands sogar attraktiv, denn Sie müssen die Mischung nur ansäuern und - schwupps - haben Sie Ihr Bromwasser. Sie sollten aber wissen, dass das derart hergestellte Bromwasser
- um den Faktor 10 bis 15 teurer ist als wenn es aus elementarem Brom hergestellt wird,
- Fremdionen enthält (Na+ und SO42-) und
- einen unbestimmten pH-Wert hat, weil Sie ja einfach nur "ansäuern" bis Sie die braune Farbe sehen.
Funktionieren Ihre Versuche trotzdem in erwünschter Weise, stechen die Argumente 2 und 3 nicht.
Fällt in naher Zukunft wegen nicht (mehr) vorhandener Carcinogenität auch die Vorschrift, die Bromid/Bromat-Mischung nur fertig beziehen zu dürfen, sticht auch Argument 1 nicht mehr, denn dann können Sie die Mischung viel preiswerter selbst herstellen.
Obacht! Nur das Natriumbromat gilt aktuell als nicht krebserzeugend! Kaliumbromat ist weiterhin als krebserzeugend eingestuft! Verwechseln Sie die Substanzen also nicht!
Verwenden von elementarem Brom
Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern hat die Verwendung von elementarem Brom an Schulen untersagt. In den anderen Bundesländern gilt für den Umgang mit Brom die RiSU. Der Umgang mit Brom ist danach nicht untersagt, aber es gibt folgende Auflagen:
- Das Gebinde darf nur ein maximales Volumen von 125 ml haben. Das ist vermutlich die größte Hürde, weil Chemikalienanbieter oft nur Gebinde ab 250 ml anbieten und auch viele Schulbedarfsanbieter der Nachfrage folgend Brom aus dem Programm genommen haben und nur noch die Bromid-/Bromatmischung anbieten.
- Ein beschafftes Bromgebinde muss an dauerhaft abgesaugter Stelle ("Säurefach") verschlossen aufbewahrt werden.
Unfälle mit Brom haben fast immer etwas mit defekten Deckeln zu tun: Wenn Sie elementares Brom bevorraten, sollten Sie deshalb unbedingt folgendes beachten:
- Wann immer Sie das Säurefach aufschließen, werfen Sie einen Blick auf die Bromflasche - genauer gesagt: Auf den Deckel. Ist er defekt, tauschen Sie ihn aus!
- Halten Sie dazu für die Bromflasche ein paar Ersatzdeckel vor. Das können passende (!) Deckel aus anderen leeren Gebinden sein, die zur Entsorgung anstehen.
- Der Defekt eines Deckels auf einer Bromflasche kündigt sich langsam durch Einrisse an. Wenn Sie solche Einrisse bemerken, tauschen Sie den Deckel sofort und warten Sie also nicht, bis es im Säurefach nach Brom zu riechen beginnt.
Richtig mit Brom umgehen, funktioniert wie folgt:
- Alle Vorgänge, bei denen Bromflaschen geöffnet werden oder wenn Brom umgefüllt wird, finden im Abzug statt. Der Abzug funktioniert nur dann gut, wenn der Frontschieber so weit wie möglich geschlossen ist. Wenn Sie aufrecht vor dem Abzug stehen, können Sie möglicherweise den Frontschieber nicht weit genug schließen. Sie brauchen dann einen Hocker. Ihre Unterarme sind dann in einer tieferen Position.
- Es ist verständlich, wenn Sie alles, was mit dem Brom zu tun hat, möglichst gaaanz weit hinten im Abzug positionieren wollen. Das ist auch in Ordnung. Aber noch viel wichtiger ist: Sie müssen alles sicher handhaben können! Die Sachen kommen also nur so weit nach hinten, wie Ihre Arme reichen.
- Sie tragen einen geschlossenen (!) Labormantel, eine Schutzbrille und doppelte Schutzhandschuhe. Alle in der Schule verwendeten Schutzhandschuhmaterialen widerstehen dem Brom kaum eine Minute. Das ist nicht beängstigend, sondern es ist allemal ausreichend, die Dinge zu sichern, also z.B. die Bromflasche abzustellen und den Deckel aufzuschrauben. Dann können Sie die Handschuhe (im Abzug) ausziehen.
- Setzen Sie das Bromwasser außerhalb der Reichweite von Schüleraugen in Ihrem Vorbereitungsraum nach dieser Vorschrift an! Bei dieser Vorschrift wird nur Bromdampf umgefüllt. Das geht sehr einfach und sehr sicher!
- Stärker konzentriertes Bromwasser können Sie herstellen, indem Sie statt reinen Wassers eine Natriumbromidlösung vorlegen. Das Brom verhält sich dabei genau wie Iod in der Lugolschen Lösung. Wenn es schwer fällt, die höhere Konzentration durch umfüllen von Bromdampf zu erreichen und Sie also doch flüssiges Brom umfüllen müssen, so bedenken Sie bitte, dass sich elementares Brom wegen seines hohen Gewichts und des ebenfalls hohen Dampfdrucks kaum pipettieren lässt: So bald Sie die Pipette aus der Flasche heben, pladdert das Brom unkontrollierbar aus der Pipette heraus. Wenn Sie ein paar Metallionen in Ihrem Bromwasser tolerieren können, können Sie eine kleine Spritze mit langer Kanüle zum Transferieren verwenden. Die Kanüle ist danach hin, die Spritze meist auch. Vor der Entsorgung wird noch anhaftendes Brom durch Aufziehen einer Hydrogensulfitlösung desaktiviert. Sie müssen "Disulfit" auflösen, um eine Hydrogensulfitlösung zu erhalten.
Es ist eine gute Idee, das Prozedere erst einmal mit der noch geschlossenen Bromflasche zu simulieren.
Wie bei jeder Chemikalie sollten Sie sich klar darüber sein, was bei einem Malheuer zu tun ist. Da Schüler*innen nur Bromwasser zu Gesicht bekommen sollen, sollte es keine Notfälle mit Brom unter Beteiligung von Schüler*innen geben. Deshalb wird derartiges hier auch nicht besprochen.
Zunächst die kleineren harmlosen Malheure
- Es ist etwas im Abzug daneben getropft.
- Schließen Sie den Frontschieber und lassen Sie einfach ablüften.
- Die nach der Entnahme wieder verschlossene Flasche stinkt trotzdem nach Brom, wenn man sie aus dem Abzug hervorholt.
- Oft liegt das daran, dass beim Abfüllen etwas Brom in die Gewindegänge des Flaschenhalses gelangt ist und jetzt aus dem Spalt zwischen Deckel und Flasche abdampft. In der Regel kann man bei noch offener Flasche das in den Gewindegängen hängende Brom gut erkennen. Lassen Sie einfach so lange ablüften, bis das Brom verdunstet ist und verschließen Sie erst dann die Flasche.
Die größeren Malheure:
- Es ist ziemlich viel im Abzug verschüttet.
- Frontschieber sofort runter! Sie können versuchen, mit einer Hydrogensulfitlösung das verschüttete Brom zu desaktivieren. Brom mischt sich allerdings nicht besonders gut mit Wasser. Und sie können sich jetzt schlecht über die Mischung aus Wasser- und Brompfützen beugen und alles irgendwie durchmischen. Vielleicht klappt es mit einer Spritzflasche, aus der Sie die Hydrogensulfitlösung durch einen Spalt im Abzu auf die Brompfützen geben. Noch besser wäre eine Blumenspritze, mit der Sie die Hydrogensulfitlösung sanfter und gleichmäßiger über das Brom verteilen können.
- Es ist etwas Brom auf dem Boden getropft.
- Kontrollieren Sie Ihren Labormantel: Hat der etwas abbekommen, ziehen Sie ihn aus und legen Sie ihn in den Abzug. Zellstoff ist eigentlich absolut ungeeignet zur Aufnahme von Brom - aber für ein paar Tropfen ist das OK. Stellen Sie alles was irgendwie mit Brom zu tun hat und gerade ungesichert ist, in den Abzug, greifen Sie mit einer Tiegelzange ein Stück Zellstoff, wischen Sie die Tropfen auf, packen Sie alles in den Abzug und schließen Sie den Frontschieber. Es wird jetzt nach Brom riechen. Die Riechschwelle von Bromdampf liegt etwa um den Faktor 10 unter der maximalen Arbeitsplatzkonzentration. Wenn Sie jetzt also das Brom riechen, fallen Sie nicht sofort tot um! Zumindest in der Nähe der Bromtropfen die Luft anzuhalten, ist aber guter Selbstschutz! Wenn Sie es jetzt noch schaffen, möglichst viele Fenster zu öffnen, bevor Sie den Raum verlassen, wird der Raum bald wieder nutzbar sein.
- Wenn es nach Brom riecht
- Schützen Sie die Schule! Arbeiten Sie vorsichtshalber nur dann mit elementarem Brom, wenn die Schule leer ist. Wenn Sie einen Raum verlassen, in dem es nach Brom riecht, schließen Sie sofort hinter sich die Tür, damit der Dampf nicht durch das ganze Schulgebäude wabert. Riecht es auch schon vor der Tür, schließen Sie auch Brandabschnittstüren. Entscheiden Sie, ob eine Querlüftung möglich und sinnvoll ist. Der Wind sollte dabei aus dem Flur in den Chemieraum hineinwehen und nicht umgekehrt. Rechnen Sie damit, dass Ihre Schule nicht ganz hysteriefrei geräumt wird, sobald es irgendwie nach "Chemie" riecht.
Das ganz große Malheur:
- Ihnen ist eine Bromflasche aus der Hand gefallen
- Gebinde mit gefährlichen Chemikalien sind heutzutage mit einem Kunststoffüberzug versehen, der nicht nur wie bei einer Verbundglas-Autoscheibe die Scherben bei Bruch zusammenhält, sondern der Flasche auch eine ungewöhnliche Stabilität verleiht. War die Flasche also verschlossen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das "gar nichts" passiert. Wenn doch, dann hilft nur "sofort raus" und "Feuerwehr" - sollten Sie das noch schaffen, können Sie Vermiculit auf das verschüttete Brom geben.
Ich habe hier die gesamte Palette an Notfallmaßnahmen ausgebreitet. Wenn Sie das abschreckt, machen Sie lieber das mit der Bromid-/Bromat-Lösung. Andererseits sind auch bei mittlerer Geschicklichkeit die "größeren" und "großen" Malheure kaum vorstellbar. Bedenken Sie, dass Sie es mit einem 100-ml-Fläschen Brom zu tun haben (125 ml Maximum ist RiSU-Vorgabe, verkauft werden i.d.R. 100-ml-Gebinde), welches sich trotz des hohen Bromgewichts leicht in einer Hand halten lässt. Das Problem beim Umgang mit Brom sind erstens die Deckel, zweitens die Deckel und drittens auch die Deckel. Wenn Sie mit Brom umgehen wollen, sollten Sie aber auch die anderen Notfallmaßnahmen im Kopf haben. Die gelten nämlich sinngemäß auch für alle anderen Gefahrstoffe!