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Brom
Brom nur noch "in situ" erzeugen?
Brom ist eine sehr gefährliche Substanz - jedenfalls, wenn damit Unfälle passieren. Unfälle an Schulen unter Beteiligung von Brom kommen aktuell nicht sehr häufig vor. (Es ist jedenfalls nicht so häufig, dass die Presse davon berichtet.) Im Jahr 2010 hat es aber an den Schulen eine starke Häufung von Unfällen mit Brom gegeben. Fast immer war ein Verschütten oder Auslaufen die Ursache. Damals wurde aber auch noch direkt mit elementarem Brom experimentiert. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Schüler*innen nur noch Bromwasser zu Gesicht bekommen sollen.
Manchem reicht das noch nicht: Bromwasser möge, falls benötigt, in situ durch eine Redoxreaktion in kleiner Menge hergestellt werden. Die Landesregierung in Mecklemburg-Vorpommern hat die Verwendung von elementarem Brom an Schulen sogar ganz verboten. Der zunächst populäre Weg, Brom durch Ansäuern einer stabilen Lösung von Natriumbromat und Natriumbromid zu erzeugen, ist aber nicht mehr so einfach gangbar, weil Natriumbromat als krebserzeugende Chemikalie eingestuft ist. Gemäß aktueller RiSU dürfen Sie an der Schule keine Bromid/Bromat-Lösung selbst ansetzen. Sie dürfen allerdings eine fertig angesetzte Bromid/Bromat-Lösung kaufen und verwenden. Allerlei andere Redoxreaktionen sind aktuell in der Diskussion, inklusive einer elektrolytischen Erzeugung von Brom, die aber wegen des Zeitbedarfs wohl nicht so recht überzeugen dürfte. In der RiSU wird empfohlen, Bromwasser durch Reaktion von Natriumbromid mit Braunstein zu erzeugen. Das erfordert ein Abdestillieren des Broms aus einer erhitzten schwefelsauren Lösung (kleiner Ansatz, großer Ansatz), wobei höchst fraglich bleibt, ob aus der dabei notwendigen Hantiererei auch mit elementarem Brom wirklich ein Sicherheitsgewinn resultiert.
Wenn Sie nicht gerade in Mecklenburg-Vorpommern unterrichten, überlegen Sie doch mal, ob Sie nicht doch lieber einfache Sachen machen wollen und das Bromwasser für den Unterricht konventionell aus Brom und Wasser anstatt durch eine Reaktion erzeugen, die weitere Stoffe im Reaktionsgemisch zur Folge hat und Ihren Schülerinnen und Schülern ja auch erst mal erklärt sein will.
Brom ist gefährlich, aber mit einfachen Regeln sicher handhabbar.
Es ist nicht schwer, mit Brom sachgerecht umzugehen. Sie müssen bereit und in der Lage sein, dass folgende zu leisten:
- Gemäß der RiSU darf das Gefäß ein maximales Volumen von 125 ml haben und muss an dauerhaft abgesaugter Stelle aufbewahrt werden.
- Gemäß I-3.12.1 der RiSU sollen alle Gefahrstoffgebinde mindestens ein Mal jährlich kontrolliert werden. Die Bromflasche kontrollieren Sie besser mindestens halbjährlich, sowie jedes Mal, wenn Sie die Flasche aus irgendeinem Grund in die Hand nehmen. Besonderes Augenmerk müssen Sie der Verschlusskappe widmen, die im Laufe der Zeit vom Brom angegriffen wird und dann vor allem Risse bilden und deswegen undicht werden kann. Defekte Verschlusskappen müssen Sie austauschen und dazu Ersatz-Verschlusskappen bevorraten. Ersatzverschlusskappen erhalten Sie aus leeren Chemikaliengebinden des gleichen Typs. Heben Sie intakte Deckel auf und entsorgen Sie nur den Flaschenkörper.
- Setzen Sie das Bromwasser außerhalb der Reichweite von Schüleraugen in Ihrem Vorbereitungsraum an!
Wenn Sie das vorgenannte nicht leisten können oder wollen, brauchen Sie diesen Text nicht weiter zu lesen. Stellen Sie sich Ihr Bromwasser dann durch irgendeine Reaktion her. Im Folgenden erhalten Sie noch einige weitere Hinweise zum Umgang mit elementarem Brom.
Nach der RiSU-Stoffliste hat Bromwasser eine "S4K"-Zulassung, könnte bedarfsweise also sogar im Schülerversuch ab Jahrgangsstufe 5 verwendet werden. Wird Brom in einem organischen Lösemittel benötigt, kann es aus Bromwasser dorthin ausgeschüttelt werden. Ist die Bromkonzentration im Bromwasser für den beabsichtigten Zweck zu schwach, kann man diese erhöhen, indem man statt reinem Wasser eine Natriumbromidlösung mit Brom sättigt. Das Brom verhält sich dabei genau wie Iod in der Lugolschen Lösung. Man muss für ein solcherart aufkonzentriertes Bromwasser freilich eine eigene Gefährdungsbeurteilung machen und kann sich nicht mehr pauschal auf die "S4K-Zulassung" der RiSU-Stoffliste berufen. Eine Brom/Natriumbromidlösung hat bei der Bromierung von olefinischen Doppelbindungen in wässriger Lösung überdies den Vorteil, dass durch den Bromid-Überschuss die Bildung von sonst als Produkt auftretenden Bromhydrinen (Bromhydroxyalkane) unterdrückt wird.
Vorsichtsmaßnahmen
Brom ist eine sehr schwere Substanz. Auch die Dämpfe sind sehr schwer und sinken zu Boden. Die Raumlüftung eines mit Bromdämpfen belasteten Raums kann deshalb erschwert sein, bzw. muss durch spezielle Ventilatoren (Feuerwehr) erzwungen werden.
- Um- und Abfüllvorgänge erfolgen grundsätzlich im Abzug. Der Frontschieber sollte dabei so weit wie möglich geschlossen sein. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie das erreichen können! Bei einem (alten) Abzug ohne Eingrifföffnungen kann es z.B. helfen, wenn Sie nicht vor dem Abzug stehen, sondern sich auf einen Laborhocker setzen. Ihre Oberarme sind dann tiefer - und schon können Sie den Frontschieber ein Stück weiter herunterziehen. Alle benötigten Geräte sollen sich einerseits so weit wie möglich weg vom Frontschieber befinden, andererseits aber - und das ist wichtiger! - so nahe, dass Sie alles sicher greifen und damit hantieren können. Planen Sie alle Ihre Handlungen so, dass Sie jede Bewegung bequem und unverkrampft ausführen können!
- Verwenden Sie beim Hantieren mit Brom Schutzhandschuhe! Tragen Sie eine Schutzbrille und einen Labormantel! Rechnen Sie damit dass an der Schule verwendete Schutzhandschuhe gegenüber Brom nur ein paar Sekunden lang beständig sind. Das reicht gerade, um Geräte zu sichern (also z.B. eine in der Hand gehaltene Flasche sicher abzustellen) und anschließend die Handschuhe sofort auszuziehen. Für nicht triviale Operationen empfielt sich das Tragen von doppelten Schutzhandschuhen.
- Beachten Sie die Hinweise zum sicheren Ab- und Umfüllen! Da die RiSU für Brom nur eine maximale Flaschengröße von 125 ml zulässt, sollten Sie es hinbekommen, die Flasche beim Gießen mit einer Hand zu halten, ohne mit der zweiten Hand von der gefährlichen unteren Seite unterstützen zu müssen.
- Verwenden Sie zur Aufbewahrung des elementaren Broms keine anderen Flaschen als die des Herstellers. Diese Flaschen haben nämlich einen Kunststoffüberzug. Dieser erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Flasche einen Sturz unbeschadet übersteht und selbst wenn sie bricht, werden die Scherben ähnlich wie die Verbundglasfrontscheibe eines Autos in Form gehalten, wodurch der Austritt von Flüssigkeit stark verringert oder sogar ganz unterbunden wird. Mindestens ein leeres Bromgebinde sollten Sie aufheben, um dorthin im Falle einer schadhaften Bromflasche in das Reservegebinde umfüllen zu können.
- Bewahren Sie Bromflaschen im "Säurefach" Ihres Abzugsystems auf! Stellen Sie das Bromgebinde niemals in den Lösemittelschrank, weil Bromdämpfe den Schrank angreifen und unbrauchbar machen können. Rechnen Sie damit, dass eine Flasche, aus der Sie Brom abgefüllt haben, noch einige Zeit etwas Bromdampf abgibt. Das kommt daher, dass sich beim Gießen aus der Flasche ein wenig Flüssigkeit in den Gewindegängen des Flaschenhalses verfängt. Nach dem Aufschrauben der Verschlusskappe verdampft diese Flüssigekeit aus dem Spalt zwischen Glas und Kappe. Sie können das verhindern, wenn Sie sich vor dem Aufschrauben der Verschlusskappe die Gewindegänge der Flasche genau ansehen. In der Regel kann man dort vorhandenes Brom gut erkennen. Ohne Kappe verdunstet dies sehr schnell. Warten Sie einfach so lange ab, bis alles abgedampft ist, bevor Sie die Flasche verschließen.
- Bringen Sie Brom nur in der minimal erforderlichen Menge und in der minimal erforderlichen Konzentration mit in den Unterricht! Grundsätzlich dürfen alle Gefahrstoffe nur in Eimern oder anderen Tragehilfen transportiert werden. Bei Brom müssen Sie das ganz besonders ernst nehmen!
- Wegen seines hohen Gewichts lässt sich Brom nicht pipettieren und wird daher durch Gießen abgemessen. Sehr kleine Mengen (ca. 1 ml) kann man mit einer kleinen Einwegspritze mit langer Kanüle abmessen. Die Spritze wird danach zuerst mit Wasser, dann mit etwas verd. Hydrogensulfitlösung gespühlt. Obacht: Sie müssen Natriumdisulfit auflösen, um eine Natriumhydrogensulfitlösung zu erhalten.
- Stellen Sie Ihr Bromwasser möglichst außerhalb der regulären Schulzeiten her. Falls Ihnen doch mal ein Malheur passiert, haben Sie keine Probleme, Schüler*innen vor den Bromdämpfen abzuschirmen. Rechnen Sie damit, dass auch dann die Schule geräumt und gegen Sie ermittelt wird, wenn eine Schülerin oder ein Schüler ein bisschen Brom gerochen haben und jetzt Halskratzen verspüren und sich jetzt ganz schlecht fühlen - auch wenn zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr gedroht hat. (Weiter unten dazu mehr...)
Notfall (Verschütten im Abzug)
Kleine im Abzug verschüttete Mengen (z.B. beim Ab- oder Umfüllen verschüttete Tropfen) lassen Sie einfach ablüften. Größere Mengen können Sie mit Hydrogensulfitlösung (Auf der Flasche steht ..."disulfit" - s.o.) übergießen und so desaktivieren. Bedenken Sie dabei, dass sich das Brom in Wasser nicht besonders gut löst. In einem Becherglas können Sie so ein Brom/Sulfit-Gemisch durch Rühren leicht zur Abreaktion bringen. Auf der Arbeitsfläche müssen Sie hingegen mit einem chaotischen Durcheinander von Brompfützen und davon separierter Sulfitlösung rechenen, was Sie mit einem Spatel o.ä. jetzt irgendwie ausgiebig mischen müssen. Ein nicht peinlichst sauberer, sondern mit allerlei Zeug vollgestellter Abzug rächt sich jetzt, weil alle diese Geräte inmitten von rauchenden Brompfützen und Salzbrühen stehen und fürs erste die Abreaktion behindern und anschließend obendrein sämtlichst peinlich gereinigt werden müssen.
Nehmen Sie Brom niemals mit Zellstoff auf!
Notfall (Verschütten außerhalb des Abzuges)
Vorbemerkungen
- Da Schüler*innen nur Bromwasser zu Gesicht bekommen sollen, sollte es keine Notfälle mit Brom unter Beteiligung von Schüler*innen geben. Deshalb wird derartiges hier auch nicht besprochen.
- Die GHS-Einstufung von Bromdämpfen lautet "Kategorie 2 - Lebensgefahr beim Einatmen". Atemwegsreizstoffe wie Brom können heimtückische Spätfolgen, wie z.B. ein Lungenödem auslösen.
- Andererseits werden schon sehr kleine Bromkonzentrationen wahrgenommen. Die Geruchsschwelle von 0,01 ppm liegt ungefär um den Faktor 10 unter dem Arbeitsplatzgrenzwert. Wenn Sie also mal ein bisschen Brom gerochen haben, sterben Sie nicht gleich und erleiden auch keinen gesundheitlichen Schaden.
- Gleichwohl hat der Personenschutz Vorrang! Sofern die nachfolgend beschriebenen Maßnahmen zur Eindämmung der Bromdampfentwicklung dienen, stehen diese deshalb unter dem Vorbehalt, dass sie ohne Eigengefährdung durchführbar sind.
Vorgehen
- Öffnen Sie möglichst viele Fenster und verlassen Sie dann den Raum.
- Sorgen Sie dafür, dass Sie beim Verlassen des Raums die Tür nur so kurz wie irgend möglich öffnen. Steht der Wind nämlich ungünstig, drückt die Luft die Bromdämpfe ins Schulgebäude hinein. Auch wenn sich das Brom dort gut verteilen und damit verdünnen kann, ist die Gefahr groß, dass die Schule nicht so ganz hysteriefrei geräumt wird. Eine gute Idee ist es deshalb, auch die Brandschutztür(en) des angrenzenden Flurs zu schließen und den so abgetrennten Flur ebenfalls gut zu lüften.
- Kontrollieren Sie sich selbst, bzw. Ihre Bekleidung, ob Sie bei dem Malheur Spritzer abbekommen haben. Ist das der Fall, muss die betroffene Bekleidung sofort ausgezogen werden.
- Wenn Sie sowohl im Chemieraum als auch im angrenzenden Flur die Fenster haben öffnen und den Flur durch Schließen der Brandschutztüren vom Rest des Schulgebäudes haben abtrennen können, gehen Sie zurück zum Chemieraum und öffnen die Tür einen kleinen Spalt. Spüren Sie, in welche Richtung der Luftzug weht. Weht es aus dem Chemieraum in den Flur, schließen Sie die Tür sofort wieder. Weht er aus dem Flur in den Chemieraum hinein, so öffnen Sie die Tür vollständig und nutzen Sie so die willkommene Querlüftung.
- Egal, wie der Wind weht: Warten Sie, bis das Brom abgedampft und der Chemieraum wieder betretbar ist. Tritt keine Besserung ein, muss die Feuerwehr anrücken, die die Dämpfe mit großen Lüftern vertreiben kann.
Gibt es denn nicht irgendein Gegenmittel?
Wenn ein bisschen mehr verschüttet wurde als nur ein paar Tropfen, können Sie die Situation verbessern, indem Sie das verschüttete Brom mit Vermiculit abdecken. Das Brom kann dann nicht mehr so viel Dampf entwickeln und das mit dem Brom vollgesogene Vermiculit lässt sich z.B. mit Spachtel und Schaufel aufnehmen und in einen Abzug verbringen. Auch dann, wenn Sie selbst wegen fortdauernder zu hoher Atemluftbelastung das verschüttete Brom nicht mehr selbst aufnehmen wollen oder können, ist das auch für die Feuerwehr eine gute vorbereitende Maßnahme, die denen die Arbeit einfacher macht. Das Vermiculit muss dazu einen gut bekannten festen Standort in unmittelbarer Reichweite haben!
Wenn Sie mit Brom hantieren wollen, deklinieren Sie vorher durch, wie Sie sich im Falle einer Bromfreisetzung in Ihrem konkreten Raum verhalten wollen bzw. müssen. Ist das Brom schon freigesetzt, ist es für Überlegungen zu spät, denn dann müssen sie hurtig mehr tun als "Huch!" zu sagen.