Mikroplastik
Unter Mikroplastik versteht man kleine Kunststoffpartikel mit Durchmessern zwischen 5 mm und 1 µm. Noch kleinere Teilchen, also Nanopartikel kann man derzeit im Meerwasser technisch noch nicht messen. Mikroplastik kommt inzwischen ubiquitär vor, Nanoplastik vermutlich ebenfalls. Lebewesen nehmen Mikroplastik in vielfältiger Weise auf. Inzwischen ist es sogar im Herzmuskel detektiert worden. Es ist umstritten, welche Schäden dadurch im Organismus verursacht werden können. Ein Grund dürfte sein, dass Mikroplastik völlig unterschiedliche Eigenschaften aufweisen kann: Es gibt tausende Zusatzstoffe, mit denen Standardkunststoffe vermengt sein können. Alle diese Stoffe können in der Umwelt Umwandlungen in andere Stoffe erfahren und an die Oberfläche der Partikel können sich theoretisch weitere Materialien anlagern.
Mikroplastik wird zunehmend in Lebensmitteln gefunden, darunter im Mineralwasser, Bier, Milch, Honig und Meersalz. Zunehmende Besorgnis verursacht das Nanoplastik, weil dieses problemlos vom Verdauungstrakt resorbiert werden und sich dann im Körper mit bislang nicht bekannten Folgen ausbreiten und dabei auch in Zellen eindringen kann. Immerhin gelang in jüngster Zeit eine Bestimmung von Nanoplastik in Trinkwasser, wobei etwa 240.000 Nanopartikel je Liter gefunden wurden. Das ist das zehn- bis hundertfache dessen, was man bislang geschätzt hat. Man geht davon aus, dass mechnische Belastungen der verwendeten Kunststoffe den Mikro-/Nanopartikel-Gehalt eines Lebensmittels erhöhen, also z.B. das Abreißen von Folien (insbesondere von tiefgefrorenen Lebensmitteln) oder das Auf- und Zudrehen von Flaschenverschlüssen.
Man unterscheidet grundsätzlich folgende Herkunftsarten:
- Primäres Mikroplastik
- Primäres Mikroplastik ist schon als Mikroplastik hergestellt worden. Plastikpartikel werden z.B. bei sandfreiem Sandstrahlen eingesetzt, um z.B. Farbschichten zu entfernen.
- Sekundäres Mikroplastik
- Sekundäres Mikroplastik entsteht durch Verrottung von in Flüsse oder Meere geschüttetem Plastikmüll. Das Vorkommen von Mikroplastik ist also eng mit dem Eintrag von Plastikmüll verknüpft. In den Weltmeeren geschieht die Zersetzung des Plastikmülls photolytisch und durch Scherkräfte bei Bewegungen in der Meeresströmung, wobei die Photolyse nur oberflächennah möglich ist und Plastikteile (deshalb) erst nach langer Zeit abgebaut sind. Vor allem in kreisförmigen Meeresströmungen reichert sich der Plastikmüll an. Inzwischen gibt es schon richtige Müllstrudel, z.B. den "Great Pacific Garbage Patch".
Derzeit besteht Mikroplastik zum großen Teil aus den Standardkunststoffen
- Polyethylen (PE),
- Polypropylen (PP),
- Polyamid (PA),
- Polyvinylchlorid (PVC) und
- Polyethylenterephthalat (PET) (="Polyester").
Was bei der Verwendung ein Vorteil war, dass diese Kunststoffe nämlich (chemisch) stabil sind, ist in der Umwelt ein Problem: Der Müll zersetzt sich zu langsam. Bestrebungen, abbaubare Kunststoffe einzusetzen, überzeugen noch nicht: Seewasser, Erde, Sonnenlicht - Die Bedingungen, unter denen sich die Kunststoffe in der richtigen Zeit zersetzen müssen, sind zu unterschiedlich.
Nach aktuellen Erkenntnissen zersetzen sich Kunststoffe photochemisch schneller, als bislang angenommen. Dabei entstehen tausende unterschiedliche wasserlösliche Substanzen. Details sind noch weitgehend unklar. Es gibt über die ökologische Relevanz der Zersetzungsprodukte noch keine Erkenntnisse. Die Zersetzungsgeschwindigkeit scheint von den dem Kunststoff zugesetzten Additiven abhängig zu sein, was in Zukunft vielleicht einmal eine Steuerung der Zersetzungsgschwindigkeit ermöglicht.
Leider sinkt auch ein beträchtlicher Teil des Plastiks auf den Meeresboden ab. In größerer Meerestife findet dort offenbar gar kein Abbau mehr statt. Im Mittelmeer wurden 1,5 mg Mikroplastik pro Kilogramm Sediment gefunden. Mikroplastik gelangt offenbar auch in die Luft und kann dort zum Beispiel die Wolkenbildung beeinflussen.
Bioabbaubare Polymere lösen sich auch im Erfolgsfall nicht in "Nichts" auf, vielmehr ist Kohlendioxid das unvermeidliche Endprodukt. Je mehr solche abbaubaren Kunststoffe eingesetzt werden, umso höher der Treibhauseffekt durch freigesetztes Kohlendioxid.
Für werkstofflich, also nicht als Verpackung genutzte Kunststoffe kann es umgekehrt wichtig sein, die Dauerhaftigkeit weiter zu verbessern, z.B. bei der Isolierung von Spulendrähten, die in Elektromotoren Temperaturen von bis zu 200 °C ausgesetzt sind.
Es ist offensichtlich, dass durch eine Verhinderung des Mülleintrags in Flüsse und Weltmeere das Mikroplastik-Problem entscheidend gebessert werden könnte. Nur müssten - wenn dies effektiv geschehen soll - vor allem jene Nationen eingebunden werden, in denen Umweltstandards noch unterentwickelt sind. Leider wird offenbar genau das Gegenteil passieren: Nach einer Untersuchung der McKinsey&Company wird es im Jahr 2030 weltweit 80 % mehr Plastikmüll geben als 2018. Die McKinsey-Studie macht dafür vor allem den Nachholbedarf aufstrebender Volkswirtschaften verantwortlich.
Quellen von Mikroplastik sind:
- Reifenabrieb und städtischer Feinstaub
Dieser wird vom Wind fortgetragen und in Gewässer gespült. Andere Studien haben daneben auch Kunstrasen und Schuhabrieb im Visier. Die Menge an Reifen- und Bitumenabrieb wird in Deutschland auf 1450 Gramm pro Einwohner und Jahr geschätzt.*) - Textilien, die Kunstfasern enthalten
Kunstfaserhaltige Wäschestücke setzen Mikrofasern beim Waschen frei. Kläranlagen halten zwar 95 % des Mikroplastiks zurück, jedoch gelangt dieses wieder in Freiheit, wenn der Klärschlamm mangels Verbrennungskapazitäten zur Düngung von Äckern verwendet wird. Es ist noch kontrovers, ob das Mikroplastik ein Produktionsrückstand ist und also vor allem bei den ersten Waschgängen freigesetzt wird oder ob die Freisetzung auch bei allen weiteren Waschgängen unverändert bleibt. Wären vor allem die ersten Wäschen das Problem, würde der aktuelle "fast fashion"-Trend das Problem extrem verstärken. Im Durchschnitt kauft nämlich jeder Deutsche derzeit 60 (!!) Kleidungsstücke pro Jahr, die zusammen 18 kg wiegen (Test 2/2023 S. 68). Jede Person erzeugt in Deutschland pro Jahr durchschnittlich 77 g Mikrofaserabrieb.*)
Die EU ist dabei, die Verwendung von Mikroplastik schrittweise zu untersagen. So ist seit dem 17.10.2023 die Verwendung von Mikroplastik in Kosmetikprodukten verboten. Gegenwärtig rechnet man mit durchschnittlich 4,6 g Partikeln pro Einwohner und Jahr.*)
Verbraucher sollten
- keine Produkte kaufen, die Mikroplastik enthalten, indem sie auf die Inhaltsliste schauen und dort darauf achten, dass keine polymeren Bestandteile enthalten sind, also keine Substanzbezeichnungen, in denen die Buchstabenfolge "poly" enthalten ist und keine Kunststoffakronyme wie "PE", "PP" usw. vorhanden sind,
- unnötige Autofahrten vermeiden, und beim Fahren starke Beschleunigungen oder Bremsmanöver vermeiden,
- wertige Bekleidung kaufen, die möglichst keine Kunstfasern enthält und so lange wie möglich getragen wird,
- bei ihren Einkäufen Plastikeinwegverpackungen und -gefäße vermeiden,
- keine Erzeugnisse kaufen, die Mikroplastik enthalten und
- Plastikabfälle sachgerecht entsorgen.
*) M. Miller, T. Osterland Nachrichten aus der Chemie, 69,48(2021)
Weiterführende Links
Einstieg
Da Mikroplastik aktuell sehr stark im Fokus steht, gibt es dazu auch sehr viele Informationen und Publikationen. Einen umfänglichen Einstieg bieten:
- Wikipedia (Plastikmüll in den Ozeanen)
- Wikipedia (Mikroplastik)
- Umweltbundesmt (Mikroplastik im Meer)
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Weitere Quellen (Organisationen, Vereine etc.)
- Stiftung Warentest
- Umweltbundesamt (Kunststoffe – Produktion, Verwendung und Verwertung)
- Bundesinstitut für Risikobewertung (FAQ)
- Bundesinstitut für Risikobewertung (Resorption)
- Schweizerisches Zentrum für angewandte Ökotoxikologie
- Ministry of Environment an Food of Denmark
- PlastiControl
- Öko-Institut e.V.
- McKinsey&Company
Wissenschaftliche Publikationen
Die nachfolgende Auswahl ergibt nur einen winzigen, nicht systematisch zusammengestellten Ausschnitt der Veröffentlichungen zum Thema.
- Naixin Qian, Xin Gao, Xiaoqi Lang, Huiping Deng, Teodora Maria Bratu, Qixuan Chen, Phoebe Stapleton, Beizhan Yan, Wei Min Rapid single-particle chemical imaging of nanoplastics by SRS microscopy"; Proceedings of the National Academy of Sciences (2024)
- Chemie.de
- I.E.Napper, R.C.Thompson Environmental Deterioration of Biodegradable, Oxo-biodegradable, Compostable, and Conventional Plastic Carrier Bags in the Sea, Soil, and Open-Air Over a 3-Year Period Environ. Sci. Technol. (2019)
- V Adam, T Yang, B Nowack; "Toward an ecotoxicological risk assessment of microplastics: Comparison of available hazard and exposure data in freshwaters"; Environmental Toxicology and Chemistry (2018)
- S. Oberbeckmann, M. Labrenz Marine Microbial Assemblages on Microplastics: Diversity, Adaptation, and Role in Degradation Annu.Rev.Mar.Sci. (2019)
- Anna N. Walsh et al.; "Plastic Formulation is an Emerging Control of Its Photochemical Fate in the Ocean"; Environ. Sci. Technol. (2021)
- Maximilian Baur, Fei Lin, Tobias O. Morgen, Lukas Odenwald & Stefan Mecking; "Polyethylene materials with in-chain ketones from non-alternating catalytic copolymerization"; Science (2021)
- A.F.R.M. Ramsperger, J. Jasinski, M. Völkl et al.; "Supposedly identical microplastic particles substantially differ in their material properties influencing particle-cell interactions and cellular responses"; Journal of Hazardous Materials (2021)
- A.Rauscher, N.Meyer, A.Jakobs, R.Bartnick, T.Lueders, E.Lehndorf; "Biodegradable microplastic increases CO2 emission and alters microbial biomass and bacterial community composition in different soil types"; Applied Soil Ecology (2023)
- L.Simon-Sánchez, M.Grelaud, C.Lorenz, J.Garcia-Orellana, A.Vianello, F.Liu, J.Vollertsen, P.Ziveri; "Can a Sediment Core Reveal the Plastic Age? Microplastic Preservation in a Coastal Sedimentary Record"; Environ. Sci. Technol. (2022)