Wo absolviere ich am besten meine Chemieausbildung?
Für eine gute Lehre im Grundstudium ist keine wissenschaftliche Exzellenz notwendig.
Wenn in einer Informationsveranstaltung oder in einer Studienberatung wenig über das Studium informiert wird und stattdessen die - selbstverständlich grandiosen - Forschungsleistungen betont werden, ist Misstrauen angesagt! Für den Studienanfänger ist nämlich in den ersten Studienjahren das wissenschaftliche Renommee vollkommen unwichtig, sondern vielmehr eine gute Ausbildung! Dazu gehört Engagement für die Lehre und eine ausreichende Bereitstellung von Ressourcen (z.B. Assistenten, Tutoren, Praktikumsausstattung). Es gehört eine Wertschätzung der Studierenden dazu! Erst nach dem Bachelorabschluss ist der Zeitpunkt, sich zu überlegen, welchem Fachteilgebiet man sich stärker zuwenden will und welche Universität dann diejenige ist, die in diesem Fachteilgebiet die notwendige Expertise hat.
Es gibt nicht hier die gute und da die schlechte Universität, sondern jede Universität hat Studiengänge, in denen es besser und solche, in denen es schlechter läuft. Ein WEB-Auftritt, der den studentischen Belangen viel Raum gibt, ist schon mal ein gutes Zeichen, kann aber den persönlichen Eindruck nicht ersetzen, den man sich unbedingt verschaffen sollte:
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Bei Vorlesungen gibt es keine Eingangskontrollen. Anfängervorlesungen haben meist eine hohe Hörerzahl, z.B. weil sie gern für Studierende mehrerer Fachrichtungen angeboten werden. Man fällt als Studieninteressent also nicht auf, wenn man sich mit dazu setzt. Wie ist das "Klima" in der Vorlesung? Ist der Dozent überheblich oder umgänglich? Geht er/sie auf Fragen ein? Ist der vorgetragene Stoff interessant? Wird er gut erklärt? Stöhnen die Sitznachbarn, weil das alles wieder mal vollkommen unverständlich ist?
Mit ein bisschen Mut kann man in der Pause oder hinterher mit den Hörern ins Gespräch kommen. Wie ist das so im Studium? Kann man das schaffen? Gibt es Lerngruppen? Fühlen die anderen sich wohl oder würden sie lieber woanders studieren? Für solche Gespräche sollte man sich gut vorbereiten mit einem Katalog an Dingen, die man geklärt haben möchte.
Der Dozent/die Dozentin rennt nach der Vorlesung meist nicht gleich aus dem Saal, sondern manche Teilnehmer gehen nach vorn und stellen noch ein paar Fragen oder lassen sich etwas erklären. Mit noch ein bisschen mehr Mut kann man sich dazugesellen und erst mal zuhören. Werden die Fragen engagiert beantwortet oder abgewimmelt? Mit ganz viel Mut stellt man selbst eine Frage. Und wenn einem gerade keine Frage zum Vorlesungsstoff einfällt, dann eben: "Ich bin noch am Gymnasium, möchte nach dem Abitur aber Chemie studieren und überlege, ob dies hier für mich die richtige Hochschule ist." Lässt sich der Dozent/die Dozentin auf ein kurzes Gespräch ein oder bleibt es bei einem: "Viel Spaß bei der Bewerbung?"
Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Dozent/die Dozentin ein Gespräch mit der Begründung verweigert, einen Termin nicht verpassen zu dürfen, denn das ist bei Dozenten heutzutage so, dass sie sehr viele Termine haben. Bietet er/sie eine Sprechstunde an, ist das ein dickes Plus. In eine solche Sprechstunde gut vorbereitet hineinzugehen ist Pflicht! Sonst ist man ganz schnell wieder vor der Tür!
Wenn man eine Bildungseinrichtung in Augenschein nimmt, sollte man immer den Kontakt zu den Studierenden suchen. Hat das bei dem Besuch der Vorlesung nicht, oder noch nicht ausreichend geklappt, kann man einen Termin bei der studentischen Studienberatung wahrnehmen. In der Regel gibt es auch eine "Fachschaft" oder eine "Fachschaftsinitiative". Dabei handelt es sich um Studierende, die sich für ihren Studiengang engagieren und in diesem Zusammenhang z.B. Einführungsveranstaltungen für Studienanfänger organisieren. Es kann sein, dass der WEB-Auftritt der Fachschaft ein bisschen wenig aktuell oder gar nicht vorhanden ist. Bei freiwilligen und häufig wechselnden Akteuren ist das nun mal so. Notfalls muss man sich durchfragen.
Einen interessanten Einblick in das Studium erhält man, wenn man auch die Praktika in Augenschein nehmen kann. Das klappt nicht immer, z.B. weil der Aufwand dafür größer ist (anders als bei der Vorlesung darf man in ein Praktikum meist nicht einfach so hineinspazieren sondern es muss jemanden geben, der einen herumführt). Wie läuft das Praktikum ab? Funktioniert alles oder fehlen alle möglichen Geräte oder sind Geräte kaputt? Hetzen die Praktikanten nur herum oder wirken Sie entspannt? Wenn in einem Chemiepraktikum die Praktikanten mit stinkenden braunen Kitteln herumrennen und die Tischflächen dreckig und verkramt sind, kann der Praktikumsleiter noch so sehr mit "Gefährdungsbeurteilungen" herumwedeln und behaupten, hier sei alles sicher: So ein Praktikum ist unterirdisch! Wenn es mal ein bisschen nach was riecht, ist das OK. Stinkt es so, dass das Fluchtreflexe auslöst, ist was faul!
Helikoptereltern
Sogenannten "Helikoptereltern" wird man heutzutage mit etwas mehr Nachsicht begegnen müssen, da heutige Abiturienten bei der Studienbewerbung oft noch gar nicht volljährig sind. Dennoch: Ein Studium meistert nur, wer selbständig agieren kann. Ratschläge, wie man die Bewerbung ausfüllt, darüber reden, ob diese oder jene Ausbildung besser ist, ist OK. Mit dem Nachwuchs am Händchen zur Studienberatung zu laufen, eher nicht.
Rankings
Zur Beurteilung von Hochschulen gibt es diverse Rankings. Deren Nutzen wird oft angezweifelt. Zum einen, weil manchmal die Zahl der Antworten für einen konkreten Studiengang viel zu klein ist, um eine gesicherte Aussage zu ermöglichen. Zum anderen weil die Fragen nur das Gefühl der Befragten wiedergeben. Ein Befragter, der z.B. das Lernklima an seiner Universität "sehr gut" findet, kann nicht wissen, ob es eine andere Universität gibt, an der das Lernklima noch viel besser ist. Leistungsstarke werden überdies das Lernklima besser beurteilen als Leistungsschwächere. An einem kleinen Fachbereich wird die Betreuung eher als "persönlich" empfunden als an einem großen anonymen Fachbereich. Ein kleiner Fachbereich bedeutet andererseits, dass die Zahl der Dozenten kleiner ist, und das Fach nicht in der gleichen Breite vertreten werden kann wie in einem großen Fachbereich.
Wichtig sind natürlich die Kriterien des Rankings. Es gibt Rankings, die gar nicht die Lehre, sondern die Forschungsleistungen beurteilen. Auch bei einem Ranking über die Lehrqualität kann es sein, dass aus einer guten Forschungsqualität geschlossen wird, dass dann auch die Lehre gut sein müsse. Ein Ranking kann nur Notnagel sein, wenn ein persönlicher Besuch der Hochschule nicht möglich ist.
Lehramtsstudium
Lehramtsstudierende beklagen sich oft, dass die Lehrinhalte der Ausbildung wenig mit der späteren Schulausbildung zu tun hätten. Es ist in Ordnung, wenn Lehramtsstudierende in den ersten Semestern zusammen mit den Studierenden des entsprechenden Fachstudiengangs eine Grundausbildung absolvieren. Bleibt das aber im Studium so, dass Lehramtsstudierende auch in höheren Semestern der Einfachheit halber immer nur dieses und jenes Modul aus dem Fachstudiengang mit absolvieren, ist das nicht so gut als wenn den Lehramtsstudierenden alsbald eigene Lehrveranstaltungen mit Schulbezug angeboten werden.